Die bereits vom September 2021 richtungsändernde Entscheidung des BGH zum Trennungsunterhalt eines oder mehrere Kinder betreuenden Elternteils, wonach der Unterhaltsanspruch des Ehegatten höher ausfällt, hat erst zeitversetzt tatsächliche Bedeutung in der Unterhaltspraxis erlangt. Hiernach wurde zum einen festgeschrieben, dass es für den Unterhalt des minderjährigen Kindes auf die Lebensstellung von beiden Eltern ankommt. Und zum anderen ist von den Erwerbseinkünften des Unterhaltsberechtigten der Barunterhaltsbedarf des Kindes bzw. der Kinder nach den gemeinsamen Eltern abzüglich des jeweils hälftigen Kindergeldes und abzüglich des vom Pflichtigen geleisteten Barunterhalts abzugsfähig. Denn in dieser Höhe leistet der betreuende Elternteil – neben dem Betreuungsunterhalt restlichen Barunterhalt in Form von Naturalunterhalt, so der BGH. Das OLG Oldenburg ist mit seiner Entscheidung vom 16.05.2023 nicht dem BGH gefolgt. Vielmehr wurde ausgeführt, dass ein „automatischer“ Abzug von geleistetem Naturalunterhalt des betreuenden Elternteils (Unterhaltsberechtigter) von seinem Einkommen nicht gerechtfertigt ist. Vielmehr ist der tatsächlich geleistete zusätzliche Aufwand – wie nach den üblichen Regeln der Darlegungs- und Beweislast – zu berücksichtigen. Damit müssen dem Naturalunterhalt für die Kinder „Barleistungen“ des Unterhaltsberechtigten (betreuenden Elternteils) gegenüberstehen. Kostenlos soll es den Naturalunterhalt somit nicht geben. Sollte dieser Naturalunterhalt zudem zur Unterschreitung des Selbstbehaltes führen, besteht keine Verpflichtung zur Bezahlung und es handele sich um freiwillige Leistungen. Freiwillige Leistungen sind wiederum nicht absetzbar.

Sollten somit die anderen Familiengerichte der Entscheidung des OLG Oldenburg folgen, was aufgrund der mehrfach geäußerten Kritik der BGH-Entscheidung nicht auszuschließen, wird es in der Praxis zur Durchsetzung des höheren Trennungsunterhaltes nicht einfacher werden. Den betreuenden Elternteilen wird hiernach offensichtlich anzuraten sein, gesonderte Ausgabenlisten für deren Kinder zu führen und weitere Belege zu sammeln. In jedem Falle macht auch diese Entscheidung die Beratung für Rechtsanwälte in der Unterhaltspraxis nicht einfacher.